Besonders heraus stach für mich eine amüsante Bemerkung von Zheglov. Er zeigte, wie man in Kanban mit ganz einfachen Mitteln zu einem belastbaren Forecast in Projekten kommt, mithilfe des – in der Kanban Community – berühmten Gesetz von Little (Little's Law) und einem kleinen Blatt Papier. Er nannte es „Napkin Forecast“, also sinngemäß übersetzt „Forecast auf dem Bierdeckel“.
Forecast auf dem Bierdeckel mit Kanban
Mit Kanban hat ein Projektmanager (PM) besseres Risikomanagement, er hat bessere Vorhersagbarkeit der Ergebnisse, er kann zuverlässiger forecasten. Die Rechnung ist ganz einfach: Wenn wir erstens wissen, wie viele Aufgaben wir abarbeiten müssen, und zweitens unsere durchschnittliche Durchlaufzeit pro Aufgabe kennen (die sog. Lead Time, also z.B. „eine Aufgabe braucht im Schnitt 2.5 Tage, bis sie fertig ist“), dann können wir statistisch recht gut vorhersagen, wann wir fertig sind. Nehmen wir an, wir haben immer nur fünf Aufgaben gleichzeitig in Arbeit, d.h.wir limitieren das Work In Progress, das WIP, auf 5. WIP Limitieren ist ein Kernprinzip von Kanban. Die Liefer-Rate, also der Durchsatz pro Tag, ist dann nach Little's Law:
Durchsatz = WIP / Lead Time
Also 5 / 2.5 = 2. Wir können also zwei Aufgaben pro Tag abarbeiten. Wir haben 180 Aufgaben, wir brauchen ergo 90 Tage und können unsere Deadline in 96 Tagen schaffen. Es gibt ein paar Einschränkungen für diese Betrachtungsweise, z.B. darf die Verteilung unserer Durchlaufzeiten nicht zu breit sein, auch darauf achtet man in Kanban. Aber alles in allem ist es so einfach: Die Formel Durchsatz = WIP / Lead Time lässt mich mein Projekt recht zuverlässig forecasten.

Alexei Zheglov - Napkin Forecast
Wie man zu den Top 5% PMs der Welt gehört
Mit einem Augenzwinkern erzählte Zheglov nun, dass weniger als die Hälfte aller Projektpläne weiß, wie viel Aufgaben sie noch vor sich haben. Und weniger als die Hälfte der restlichen hat eine Kenntnis über ihre Liefer-Rate und wiederum weniger als die Hälfte davon kontrolliert das WIP und die Vorhersage-Stabilität der Durchlaufzeiten. Wenn Sie alle diese drei Dinge machen, und damit einen Forecast auf dem Bierdeckel angeben können, wie in der Abbildung, dann gehören Sie zu den Top 5% der Projektmanager auf der Welt, so Zheglov.
Interessant finde ich tatsächlich, dass die einfache Regel in vielen Arbeitsorganisationen nicht angewendet wird: Je mehr ich gleichzeitig mache, desto länger dauert es, bis alles fertig ist. Lead Time = WIP / Durchsatz. Wenn Sie 10 Sachen anfangen, die alle einen Tag brauchen, und dann ständig zwischen den Aufgaben hin und her springen, also „multitasken“, dann sind 9 der Aufgaben später fertig, als wenn Sie die Aufgaben einzeln der Reihe nach bewältigen würden (siehe Abbildung). Das ist für die Nutznießer Ihrer Arbeit schlecht, denn 9 von 10 müssen im Szenario „Multitasking“ länger auf das Ergebnis warten als im Szenario „Einzeln machen“. Und es ist fürs Risikomanagement schlecht, u.a. weil Probleme in einer Aufgabe einen stärkeren Effekt auf die anderen Arbeiten haben, wenn alles gleichzeitig in Arbeit ist. Dazu kommt, dass die erforderliche Zeit pro Aufgabe vermutlich mehr als das 10fache ist, weil Task-Switching jedesmal mentale Rüstzeit erfordert.

Wann ist was fertig? Multitasking vs. alles nacheinander
Die meisten Organisationen optimieren ihre Arbeitsprozesse aber nicht auf Lead Time. Sie regulieren das WIP nicht. Dummerweise ist WIP-limitieren ein kontraintuitiver Ansatz – man soll weniger machen, damit mehr schneller fertig wird. Leider ist es in vielen Organisationen scheinbar wichtiger, sagen zu können „Ja, wir haben angefangen… läuft!“, als dass Dinge schnell und zuverlässig fertig werden.
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