5 Dinge, die mir geholfen haben, als Scrum Master im (verteilten) Scrum Team anzukommen

Wie starte ich in einem neuen Scrum Team durch? 5 Einfache Tips.

Eigentlich ist es gar nicht so ungewöhnlich, das remote Arbeiten. Für viele große Unternehmen vermutlich Alltag. Gerade im Softwarebereich kennt man es, mit Entwicklern aus aller Welt zusammenzuarbeiten. Verteilte Teams gab es auch vor COVID-19 schon. 2015 habe ich mit einem verteilten Team zusammen an einem Produkt gearbeitet. 70% der Entwickler waren in den Philippinen, der restliche Teil verteilt über Deutschland. 

Für Teams, die bisher präsent in einem Büro gearbeitet haben ist das verteilte Arbeiten eine Umstellung. Sitzt aber sowieso jeder woanders, kommen noch ein paar weitere Herausforderungen, aber auch Vorteile hinzu

  • unterschiedliche Zeitzonen
    • Nachteil: Schwieriger, Meetings zu planen, an denen alle können
    • Vorteil: Ruhezeiten zum “konzentrierten” Arbeiten automatisch gegeben
  • Kulturelle Unterschiede
    • es macht so viel Spaß, von anderen zu lernen. Wenn du gerne reist, dann wirst du verteilte Teams lieben

Wir können also von denen, die schon seit Langem remote oder sogar verteilt arbeiten, lernen.

Im April 2020 habe ich mich bei einem neuen Kunden vorgestellt - per Video natürlich. Mein Kunde benötigte einen Scrum Master für ein Scrum-Team, verteilt über Ungarn, die Türkei, Indien und Deutschland. WOW war mein erster Gedanke - wie spannend. Das Kennenlern-Gespräch per Video lief gut und ich war direkt angefixt von dem Produkt und der Herausforderung. 

Mittlerweile haben wir August, ich arbeite immer noch in diesem verteilten Team als Scrum Master und der Teamspirit ist der Wahnsinn. 

Folgend möchte ich 5 Erfahrungen mit dir teilen, die mir geholfen haben, mein Team - vor allem online - kennenzulernen und erfolgreich mit ihm zusammenzuarbeiten.

 

1. Zuhören & Wiederholen

Um mein Team kennenzulernen, habe ich direkt am Anfang 1:1-Gespräche eingefordert, um mit jedem Teammitglied die Möglichkeit zu haben, alleine zu sprechen. Lockerer Austausch am Anfang, mit Video natürlich.Gerade zu Beginn fällt mir auf, dass die Gespräche oberflächlich sind. Man tastet sich vor, lernt sich kennen und ordnet sein Gegenüber ein. Immer wieder suche ich das Gespräch zu einzelnen Teammitgliedern - für mich sind das, nach einigen Wiederholungen, die wertvollsten Gespräche. Auf diese Art und Weise erfahre ich von Ängsten, Gefühlen, Lob und Stolz u.v.m. Ich plane dafür kurze Telefonate (ca. 15-30 Minuten) ein, zu denen auch ich mich manchmal überreden muss. Letztendlich hat sich jedoch jedes einzelne Telefonat gelohnt. Ich komme einen Schritt weiter, weiß, was innerhalb des Teams passiert, was die einzelnen Teammitglieder bewegt und verstehe viele Themen besser bzw. kann das große Ganze besser einordnen.

 

 

2. Sei dabei!

Anfangs viel es mir wirklich schwer, die Herausforderungen und das Produkt des Teams zu umreißen.Ich glaube, das lag unter anderem daran, dass ich - anders als onsite - kaum den Austausch zwischen den Kollegen mitbekommen habe. Zu Beginn gab es noch keinen aktiven Austausch über Team-Chats. Die Kommunikation lief hauptsächlich über private Telefonate. 
Auch wenn es sich anfangs ein wenig aufdringlich anfühlte, musste ich einfach mehr “dabei sein”. Also forderte ich immer wieder ein, bei jedem Meeting und jedem Gespräch (produktbezogen) dabei zu sein, um ein besseres Gesamtbild vom Team und vom Produkt zu bekommen. Das ist zwar anstrengend, aber lohnenswert. Auch wenn man oft als stiller Teilnehmer einem Meeting beiwohnt, bringt es so viel, meine Kollegen “in Aktion” kennenzulernen. Natürlich ist auch meine Disziplin gefragt, bei Themen aktiv zuzuhören, auch wenn es zu technisch wird. Umso öfter ich allerdings dabei war, desto mehr wurde ich in die Meetings einbezogen. Ich habe das Gefühl, dadurch immer mehr ein Teil des Teams zu werden.
 

3. Team-Kaffeepausen

Wir haben einmal wöchentlich 30 Minuten, in denen sich alle freiwillig in einen Video Call einwählen können. Diese proaktive Einladung kam von unserem Product Owner. Ich fand das eine super Idee. 
Hierbei soll explizit nicht über Arbeitsthemen gesprochen werden. Natürlich ist COVID ein großes Thema in dieser Zeit, aber wir schaffen es auch, über andere Themen zu sprechen. Ich finde es richtig spannend, weil wir viel aus anderen Ländern mitbekommen. Welche Feiertage stehen in Indien an, welche Ausflüge sind bei den griechischen Kollegen geplant. Es bringt neuen Schwung in das Team und man lernt sich auf einer anderen Ebene kennen als auf der beruflichen. Es zeigt uns mehr in unseren Alltagssituationen und gibt einem die Möglichkeit, sich auch kulturell auszutauschen.
Dieses Meeting hilft nicht nur mir als Scrum Master, sondern auch allen anderen Teilnehmern, mehr über uns als Team herauszufinden. Der Teamspirit ist ein anderer, seitdem wir uns hier einmal wöchentlich austauschen.
 

 

4. Nutze Kollaborationstools

Eine der großen Herausforderungen ist, die Meetings so zu gestalten, dass jeder aktiv teilnehmen kann. Wir wissen, dass Remote-Meetings anstrengend sind. Besonders wenn nur einer spricht und wir nichts im Bildschirm sehen. Was ich in meinen Meetings erreichen möchte, ist, dass das Meeting vor allem vom Inhalt des Teams lebt. Ohne Visualisierung der Themen und ein paar unterstützende Tools wie z.B. Themen voten, funktioniert das aber nur schleppend.Daher habe ich bereits zu Beginn der COVID-Zeit einige Whiteboard-Tools miteinander verglichen (Blogbeitrag Whiteboard Vergleich) und nutze jetzt Miro auch in der kostenpflichtigen Version, um Meetings vorzubereiten und durchzuführen.Das motiviert mein Team zur Zusammenarbeit. Jeder kann aktiv mitmachen. Durch verschiedene Methoden wie Lean Coffe und Themenvotings kann jeder sein Thema - vor allem visuell - einbringen und bekommt im Termin auch genügend Zeit, um nachzudenken.
Ich kann nur empfehlen, Meetings mit einem Tool zu begleiten. Bisher hat es mir und meinem Team geholfen, schneller miteinander zu kommunizieren und Themen aktiv anzugehen.

5. Gleiches Verständnis

Jeder startet aus einer anderen Perspektive in ein Projekt. Genauso war es auch bei mir. Ich habe mittlerweile einige Jahre Erfahrung in agilen Projekten. Viele Begriffe, Herangehensweisen und Methoden sind “selbstverständlich” für mich. Genauso ist es natürlich für meine Teammitglieder in ihrer Domäne. Für mich war es am Anfang besonders wichtig, dass ich mit meinem Team ein gleiches Level finde. Das heißt, wir brauchen ein gemeinsames Verständnis von Vokabeln & Begrifflichkeiten, Prozessen, Zielen, Rollen etc. Das kann nicht von Anfang an vorhanden sein, sondern groovt sich mit der Zeit ein. Mir hat es sehr geholfen, extra Gesprächsrunden zu drehen, wenn ich das Gefühl hatte, wir nutzen zwar denselben Begriff, aber wir sprechen trotzdem von zwei komplett unterschiedlichen Themen. Dieses gemeinsame Verständnis zu erreichen, fühlt sich für mich in verteilten Teams noch etwas schwieriger an, aber ist machbar. Nachhaken und Hinterfragen ist sowieso eine unserer Lieblingstätigkeiten als Scrum Master, oder? ;)

 

Wie du siehst, ist es keine Wissenschaft als Scrum Master in (verteilten) Scrum-Teams Fuß zu fassen. Trotzdem hat es mir geholfen die 5 Punkte konsistent umzusetzen, um mehr Kontakt und Akzeptanz im Team z u bekommen. Welche Erfahrung hast du gemacht und welche Best-Practices Tipps kannst du mit uns teilen?

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