Agile Fluency Simulation

Lehrreich und spannend

Die Simulation bildet ab, wie Experten die Wirkungen der Spieler-Entscheidungen einschätzen, was über den Spielverlauf von zwei bis drei Stunden so einige Aha-Erlebnisse bringt. Das dahinterliegende Agile Fluency Modell wurde entwickelt von Diana Larsen und James Shore, beide prominente Urgesteine der agilen Szene. In jahrelanger Arbeit haben sie das Spiel ausgereift zu seiner jetzigen Form. Das Spiel ist Teil eines Sets von Ansätzen/Tools, wie die Agile Fluency Diagnostik, ein Improvement-Cycle-Konzept und natürlich das Modell selber.

Was ist Agile Fluency?

Unter Fluency verstehen Larsen und Shore die Fähigkeit, etwas ohne Nachdenken und Anstrengung zu machen. Der Begriff wird sonst meist im Zusammenhang mit Spracherwerb verwendet: Man ist ein „fluent speaker“, wenn man einfach drauflos reden kann, nicht nachdenken muss, nicht nach Wörtern sucht, nicht rumstopselt. Fluency heißt also, dass ein Verhalten nicht mit Willensstärke oder Anstrengung zu tun hat, sondern ganz selbstverständlich und mühelos erfolgt. Ein Beispiel für Agile Fluency: Es macht einen großen Unterschied, ob ein Team sich hin und wieder aufrafft, eine Retrospektive zu machen, weil der Schmerz grade ganz besonders groß ist – oder ob das Team völlig selbstverständlich und präzise regelmäßig Retros macht, weil es einfach weiß und spürt: So funktioniert lernen.

 

 

Das Agile Fluency Model teilt die Agile Fluency in vier Zonen ein, nämlich die Zone Fokus, z.B. auf optimale Wertschöpfung, dann die Zone Liefern (zuverlässig, fehlerfrei usw.), drittens Optimierung, etwa die Innovation und Wertschöpfung, und schließlich Verstärkung. In dieser letzten Zone geht es um eine immerfort reifende agile Kultur in der gesamten Organisation. Wenige Organisationen operieren in dieser Zone – und längst nicht alle müssen das!

 

 

Die vier Kategorien sind ausdrücklich und wertfrei Zonen, nicht Level oder Reifegrade. Das Agile Fluency Model ist kein Reifegradmodell, mit dem einfachen Grund: Agile ist ein Mittel zum Zweck, und eine Organisation sollte anhand der Rahmenbedingungen überlegen, „welche Agilität“ die richtige für sie ist. Die Metapher dazu: Wenn ich mit der S-Bahn vom Münchner Bahnhof zum Marienplatz will, dann brauche ich Zone 1. Ich brauche nicht Zone 4, also Reifegrad 4 von 4 möglichen, denn ich will halt zum Marienplatz! Und der liegt in Zone 1. Diese Sichtweise des Agile Fluency Model finde ich angenehm pragmatisch im ganzen Hype um Agile. Es geht nicht um Agile an sich, sondern darum, was man erreichen will. In diesem kurzen Video und diesem Whitepaper erfährt man mehr.

 

 

Was lernt man im Spiel?

Wir hatten die Aufgabe, maximalen Geschäftswert zu erreichen durch die Einführung agiler Praktiken. Dr. Wolf-Gideon Bleek leitete uns durch die Simulation und diskutierte mit uns im Anschluss unsere Ergebnisse. Mit Retrospektiven, Pairing, User Stories, DevOps-Praktiken usw. versuchten wir, das kurz- und langfristige Outcome zu optimieren. Sozusagen die „ideale Einführung von Agile“, unabhängig davon, ob es um Scrum geht, Extreme Programming oder Kanban. Zu viele Learnings will ich nicht verraten, damit jede/r die Simulation unvoreingenommen machen kann. Gesagt sei nur, dass ich nach dem gestrigen Tag meine nächsten Retros anders angehen werde, jedem Agile Fluency Diagnostik und das Modell empfehle, und fest vorhabe, wie letztes Jahr wieder aufs europäische Agile Fluency Gathering zu fahren, diesmal in Hamburg Ende Oktober 2018. Super Spannend!

Zum Schluss noch eine wichtige Erkenntnis aus der Simulation gestern für mich als Agile Coach: Eine „Agilisierung“ muss sich schon zu Beginn viel enger an Domäne und Potential des Markts orientieren, in dem die Organisation sich bewegt. Zwar stelle ich immer die Frage „Warum eigentlich?“, wenn mir jemand sagt „Wir wollen agil werden“... Wenn man jedoch zuerst gemeinsam die Zone gemäß Agile Fluency Model auslotet, die das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Organisation in der jetzigen Situation hat, dann kann man die entsprechende – passende – Einführung von Agile besser vermitteln, sich besser darauf committen und sie nachhaltiger durchführen.